Einleitung
Klettern beginnt im Kopf – und wächst mit der Technik. Je mehr man sich in der Vertikalen bewegt, desto deutlicher wird: Nicht die stärksten Arme, sondern die feinfühligsten Bewegungsentscheidungen bringen dich ans Top. Der Unterschied zwischen ambitioniertem Hobby und souveränem Können liegt im Detail – und im Verständnis dafür, wie sich Kraft, Reibung, Gleichgewicht und Körperführung zu einer fließenden Bewegungssprache verbinden.
Die klassische Idee vom Muskelspiel verliert an Relevanz, sobald es steiler, glatter, technischer wird. Wer sich im siebten oder achten Grad wohlfühlen will, sollte nicht nur seine Unterarme trainieren, sondern seine Wahrnehmung für Körperspannung, Trittauswahl und Bewegungsfluss schärfen. Die Wand fordert Intelligenz, keine rohe Gewalt. Das zeigen auch moderne Trainingsansätze – und die besten Routenbauer:innen wissen längst, dass Eleganz im Klettern kein Bonus, sondern Basis ist.
Kletter und Sicherungstechniken
Die wichtigsten Klettertechniken für Anfänger – Dein Guide zum sicheren Klettern
Einleitung Klettern wirkt auf Außenstehende oft wie ein reines Kraftspiel. Doch, wer [...]
Dieser Artikel richtet sich an alle, die das Handwerk vertiefen wollen. Vielleicht hast du schon solide Erfahrung im Fels oder in der Halle, vielleicht bist du bereits über Einsteigertechniken hinausgewachsen – wie hier kompakt erklärt – und suchst nach präziseren Impulsen für deinen Stil. Dann findest du hier nicht nur Technikbeschreibungen, sondern ein fein austariertes Verständnis dafür, wann welche Bewegung sinnvoll ist und wie sie sich anfühlen soll.
Denn wer wirklich gut klettern will, braucht mehr als nur „Technik“. Es geht um Timing, um Flow, um das Zusammenspiel aus Aufmerksamkeit und Effizienz. Jede Wand ist anders – aber dein Körper bleibt derselbe. Diesen Körper im Raum zu verstehen und gezielt einzusetzen, ist die eigentliche Kunst. Und genau dort steigen wir jetzt ein.
Grundlagen der Klettertechnik
Körperbalance und Schwerpunkt
Die Fähigkeit, den Körperschwerpunkt bewusst zu kontrollieren, entscheidet oft darüber, ob ein Zug gelingt oder die Wand dich abwirft. Statt impulsiv zu greifen, lernt man mit wachsender Erfahrung, Bewegungen über das Becken zu steuern – der eigentliche Schaltpunkt für Balance. In der Praxis bedeutet das: Wer seine Hüfte nahe an den Fels bringt und präzise mit dem Standbein arbeitet, gewinnt Kontrolle, Stabilität und Reichweite zugleich.
In komplexeren Passagen hilft oft eine minimale Verlagerung des Gewichts, um plötzlich die perfekte Position zu erreichen. Der Körperschwerpunkt wirkt dabei wie ein inneres Lot, das – wenn richtig geführt – jeden Zug ökonomischer macht. Besonders auf kleinen Tritten oder bei schrägen Wandbereichen ist es entscheidend, nicht frontal zu stehen, sondern diagonal Spannung aufzubauen, um dem Körper den nötigen Halt zu geben.
Diese Prinzipien gelten unabhängig vom Stil: ob Bouldern, Sportklettern oder Alpinrouten. Wer versteht, dass Balance keine starre Lage, sondern ein dynamisches Wechselspiel ist, beginnt automatisch, feiner zu klettern. Die Wand hört auf, ein Hindernis zu sein – sie wird zum Raum, in dem Bewegung möglich wird, sobald der Körper im Gleichgewicht agiert.
Bewegungsökonomie und Energieeinsparung
Effizientes Klettern bedeutet, nur das zu tun, was nötig ist – nicht mehr. In Routen mit vielen Zügen oder komplexen Sequenzen entscheidet oft nicht die Kraftreserve über den Erfolg, sondern der ökonomische Umgang mit Energie. Ein sauberer Tritt, eine entspannte Greifhaltung, eine kluge Körperrotation: All das spart Kraft, verlängert Ausdauer und schützt vor mentalem Stress.
Besonders bei langen Routen mit vielen Zwischensicherungen wird Bewegungsökonomie zum Sicherheitsfaktor. Wer hektisch oder ohne Plan klettert, ermüdet schneller, trifft schlechtere Entscheidungen und gerät häufiger in Panik. Der Trick liegt darin, überflüssige Bewegungen zu vermeiden und möglichst oft in Positionen zu verweilen, die wenig Muskelspannung benötigen – etwa durch das bewusste Klettern am ausgestreckten Arm.
Dieser Aspekt trennt fortgeschrittene Kletter:innen von ambitionierten Anfänger:innen. Während letztere häufig jede Bewegung „durchziehen“, erkennen erfahrene Athlet:innen die Effizienz einer gut geplanten Sequenz. Wer weniger zieht, greift länger – und genau das entscheidet am Ende über Projekte, die sich auf den ersten Blick unmöglich anfühlen.
Mentale Aspekte des Kletterns
Technik und Körperbeherrschung bringen wenig, wenn der Kopf blockiert. Mentale Klarheit ist einer der unterschätztesten Aspekte des Kletterns – und zugleich einer der entscheidendsten. Jeder schwierige Zug verlangt Präsenz, Fokus und den Willen, auch in instabiler Position eine Lösung zu suchen, statt abzubrechen oder sich nur auf Sicherung oder Crashpad zu verlassen.
Erfahrene Kletter:innen entwickeln mit der Zeit eine besondere Art von Gelassenheit. Sie wissen, dass Unsicherheit nicht gefährlich ist – sondern normal. Dieser Umgang mit dem Ungewissen schärft den Blick für Details: für den besseren Tritt, den versteckten Griff, die bessere Körperhaltung. Wer mental ruhig bleibt, kann intuitiv und kreativ handeln, statt sich in Wiederholungen zu verlieren.
Gleichzeitig stärkt Klettern auch das Selbstbewusstsein abseits der Wand. Die Fähigkeit, trotz Angst oder Zweifel weiterzudenken, strukturiert sich in der Vertikalen besonders eindrücklich. Technik, Bewegung, Psyche – all das wird im Klettern zu einem körperlich-geistigen Erfahrungsraum, in dem sich Fortschritt nicht allein an Schwierigkeitsgraden, sondern an der inneren Haltung zeigt.
Grifftechniken im Detail
Zuggriffe: Anatomie und Präzision
Zuggriffe sind das Rückgrat vieler Kletterbewegungen – doch ihr gezielter Einsatz erfordert weit mehr als pure Griffkraft. Sie arbeiten entlang der Schwerkraft, beanspruchen primär Fingerbeuger, Unterarme und Schultern, und verlangen eine präzise Abstimmung mit dem gesamten Bewegungsapparat. Wer hier unkontrolliert zieht, riskiert nicht nur Überlastung, sondern verschenkt potenzielle Energie.
Die Kunst liegt darin, die Zugrichtung des Körpers optimal mit der Ausrichtung des Griffs in Einklang zu bringen. Statt frontal zu hängen, bringt man Schulter und Hüfte in Linie mit dem Griff, sodass der Körper nicht gegen, sondern mit dem Griff arbeitet. Besonders bei kleinen Leisten oder offenen Zangen entsteht so ein enormer Kraftvorteil – ohne zusätzliche Anstrengung.
Entscheidend ist auch die Griffvariation: offene Hand, Halbcrimp oder Full Crimp – jede Variante hat Vor- und Nachteile. Während der offene Griff gelenkschonender ist, erlaubt der Crimp mehr Zug – aber auf Kosten der Fingergesundheit. Wer diese Unterschiede kennt und sie situationsabhängig einsetzt, verbessert nicht nur seine Technik, sondern verlängert auch seine Kletterkarriere spürbar.
Stützgriffe: Entlastung und Stabilisierung
Stützgriffe sind nicht nur willkommene Abwechslung – sie sind funktionale Werkzeuge für Körperkontrolle und Griffentlastung. Anders als Zuggriffe werden sie oft mit der flachen Hand, dem Handballen oder den Unterarmen eingesetzt. Dabei entsteht kein klassischer Zug, sondern ein Druck, der in Verbindung mit Wandkontakt zur Stabilisierung des gesamten Körpers dient.
Diese Technik eignet sich besonders in Verschneidungen, an Volumen oder auf glatten Strukturen ohne klar definierte Griffe. Hier kann eine abgestützte Hand helfen, das Gleichgewicht zu halten oder den Körperschwerpunkt aktiv an die Wand zu bringen. Besonders bei schwierigen Tritten oder komplexen Zügen schafft der Stützgriff den notwendigen Raum, um präzise zu treten oder zu rotieren.
Ein trainiertes Auge erkennt Stützmöglichkeiten intuitiv, ein trainierter Körper setzt sie ökonomisch um. Wer regelmäßig stützt, entlastet nicht nur die Fingerbeuger, sondern aktiviert gezielt die Rückenmuskulatur – ein oft vernachlässigter Teil des Klettertrainings. Die intelligente Integration von Drucktechnik ist ein klares Merkmal fortgeschrittener Kletterer:innen.

Stützgriffe: Entlastung und Stabilisierung
Gesunde Fingerhaltung und Griffvarianten
Die Art, wie ein Griff gehalten wird, hat unmittelbare Auswirkungen auf Belastung, Präzision und Verletzungsrisiko. Besonders die Mittelgelenke sind bei vielen Griffarten stark gefährdet – vor allem beim häufig praktizierten Crimp, bei dem die Fingerkuppen aufgestellt werden. Diese Position erzeugt eine hohe Zugbelastung auf kleinstem Raum und sollte mit Bedacht gewählt werden.
In den meisten Fällen ist der sogenannte „hängende Fingergriff“ die gesündere Variante. Dabei liegen die Finger in einem leicht gewölbten Bogen auf dem Griff, ohne aktives Aufstellen oder Überstrecken der Gelenke. Zwar reduziert sich dadurch der unmittelbare Kraftschluss, doch der langfristige Nutzen für Gelenke und Sehnen überwiegt – vor allem beim Training oder in künstlichen Kletteranlagen.
Auch spezielle Griffformen wie Löcher oder Zangen erfordern eine angepasste Technik. In tiefen Löchern arbeiten oft nur zwei oder drei Finger – in solchen Fällen kann der Daumen als Widerlager oder zur Stabilisierung beitragen. Wer seine Grifftechnik individuell anpasst und regelmäßig wechselt, verbessert nicht nur seine Kraft, sondern schützt sich auch effektiv vor Überlastung.

Gesunde Fingerhaltung
Tritttechniken für Fortgeschrittene
Reibung, Kanten und Leisten richtig nutzen
Tritte sind nicht bloß Plattformen für den Fuß – sie sind präzise Kontaktpunkte, die Körperposition und Bewegungsfluss bestimmen. Gerade Leisten und Reibungstritte verlangen mehr als nur Mut: Sie erfordern eine aktive Positionierung des Fußes, eine bewusste Spannung im Bein und ein feines Gespür für Druckverteilung. Wer die Sohle nicht vollflächig oder im richtigen Winkel ansetzt, verliert schnell Stabilität.
Auf abschüssigen Leisten oder geneigten Trittflächen gilt das Prinzip der Parallelität: Die Schuhsohle sollte möglichst plan aufliegen, um maximale Reibung zu erzeugen. Dafür muss der Fuß oft aktiv im Sprunggelenk gestreckt oder gekippt werden. Ein hoher Fersenstand, wie ihn viele Anfänger:innen zeigen, reduziert die Auflagefläche und führt zu Instabilität – besonders auf glatten Wänden oder in der Reibung.
Besonders Reibungstritte verlangen Mut zur Fläche. Es gibt keinen sichtbaren Halt, nur das Vertrauen in Reibung und Technik. In solchen Situationen macht sich Techniktraining bezahlt: Wer gelernt hat, Ferse hängen zu lassen und Druck gleichmäßig über den Vorderfuß zu verteilen, bleibt stehen – selbst auf vermeintlich »trittlosen« Strukturen. Präzise Fußarbeit ist hier der Schlüssel zu fließenden Bewegungen.
Fußarbeit auf unterschiedlichen Untergründen
Nicht jede Wand ist gleich, und nicht jeder Untergrund verzeiht die gleiche Fußtechnik. Kalk, Granit, Sandstein – jede Gesteinsart stellt andere Anforderungen an Reibung, Sohlendruck und Trittbewusstsein. Besonders auf poliertem Kalk sind kleine Tritte schnell rutschig, während Sandstein oft mit feinen Kanten spielt, die präzises Platzieren der Zehenspitze erfordern. Wer hier mit Routine statt Anpassung arbeitet, verliert an Präzision.
Auch in der Halle variieren die Anforderungen. Kunstgriffe bieten zwar visuelle Klarheit, verzeihen aber keine Nachlässigkeit im Winkel. Eine falsch angesetzte Reibungstritt-Variante auf einem Volumen kann sofort zum Rutschen führen – besonders wenn der Körperschwerpunkt nicht aktiv über den Fuß verlagert wird. In natürlichen Routen muss man zusätzlich auf Brüche, lose Tritte oder Moos achten – technische Sensibilität ist gefragt.
Effiziente Kletter:innen passen ihre Fußarbeit ständig an das Material an. Dazu gehört nicht nur die Wahl des Trittpunktes, sondern auch die Haltung des Knöchels, das Ausbalancieren mit der Hüfte und das Bewusstsein für Untergrundbeschaffenheit. Wer sein Auge und sein Körpergefühl schult, bleibt länger im Flow – unabhängig vom Gestein oder der Wandform.
Fersen- und Zehenspitzenstrategien
Fortgeschrittene Klettertechniken nutzen gezielt verschiedene Teile des Fußes, um sich effizient zu bewegen. Der Vorderfuß – insbesondere der Ballen – ist dabei das sensibelste Werkzeug. Er bietet Kontrolle, Präzision und erlaubt fein dosierte Belastung. Besonders bei kleinen Tritten oder überhängenden Routen ist der Balleneinsatz alternativlos. Ein breiter Tritt mit dem Mittelfuß wirkt hier wie ein Holzklotz: ungenau und träge.
Die Ferse hingegen spielt in bestimmten Situationen eine strategische Rolle. Beim Hooken – also dem gezielten Einhaken der Ferse über Griffe oder Tritte – stabilisiert sie komplexe Bewegungen oder hilft beim Wechsel des Körperschwerpunkts. Auch bei Reibungstritten darf die Ferse leicht hängen, um möglichst viel Sohlenkontakt herzustellen. Zu hoch angehoben verliert sie an Haftung – zu tief riskiert man ein Abrutschen.
Zehenspitzenarbeit hingegen kommt vor allem in überhängendem Gelände zum Tragen. Hier zählt Reichweite – und wer weit treten will, muss seinen Fuß punktuell und exakt führen können. Besonders auf Volumen oder runden Tritten ist es entscheidend, mit den Zehen aktiv zu drücken, nicht nur passiv zu stehen. Dieses Maß an Kontrolle unterscheidet reine Bewegung von wirklicher Technik.

Heel Hook
Eindrehen und Positionierung
Drehbewegung als Effizienzschlüssel
Die Idee des Eindrehens wirkt auf den ersten Blick technisch – in der Praxis aber ist sie oft die eleganteste Lösung. Statt sich frontal an die Wand zu stemmen, nutzt man die Drehung des Körpers, um den Schwerpunkt näher zum Fels zu bringen. Diese Position erlaubt nicht nur längere Reichweite, sondern verringert auch die Haltebelastung der Arme deutlich.
Technisch bedeutet Eindrehen, dass der Fuß auf der dem Greifarm entgegengesetzten Seite als Standbein dient. Der Körper wird dabei über das Becken rotiert, sodass Schulter und Hüfte in einer Linie zur Wand stehen. Dadurch sinkt der Körperschwerpunkt und der Bewegungsradius erweitert sich – selbst in scheinbar ausladenden Zügen. Dieser Mechanismus verschafft erfahrenen Kletternden oft den entscheidenden Vorteil.
Gleichzeitig verbessert sich die Kontrolle über die eigene Position. In Drehhaltung entstehen stabilere Zwischenpositionen, aus denen sich präzise greifen oder klippen lässt. Die Wand wird damit nicht länger als flächiger Gegner erlebt, sondern als dreidimensionaler Raum, in dem Bewegungen bewusst choreografiert werden können.
Richtige Fußführung beim Eindrehen
Eindrehen beginnt nicht bei den Händen – sondern bei den Füßen. Die Wahl des Standfußes entscheidet darüber, ob die Bewegung flüssig, stabil oder eben gar nicht funktioniert. Wer mit dem „falschen“ Fuß eindreht, bringt sich nicht nur in eine instabile Position, sondern erzeugt eine ungewollte Gegenrotation, die das Gleichgewicht sabotiert.
In der Praxis heißt das: Ist die rechte Hand oben, sollte der linke Fuß als Standbein fungieren, und umgekehrt. Dabei wird der Fuß nicht flach, sondern leicht über die Außenkante auf den Tritt gestellt. Diese Platzierung erlaubt es, das Bein wie einen Hebel zu nutzen – die Hüfte schwingt nach innen, der Oberkörper folgt. In der Summe ergibt sich ein kraftsparender, rotierender Bewegungsfluss.
Diese Technik muss nicht nur verstanden, sondern immer wieder bewusst trainiert werden. Besonders in Hallen mit geneigten Wandbereichen oder auf technischen Platten lassen sich Eindrehsituationen gezielt nachstellen. Mit jeder Wiederholung wächst das Bewegungsverständnis – und mit ihm die Kontrolle über scheinbar schwierige Passagen.
Vermeidung der offenen Tür
Eine der häufigsten Fehlstellungen beim Eindrehen ist der Effekt der sogenannten „offenen Tür“. Gemeint ist ein Moment, in dem sich der Kletterkörper zur Seite hin wegdreht, ohne dass eine klare Halteposition besteht. Ursache ist meist eine unpassende Kombination aus Standbein und Greifhand – oder eine verpasste Chance, den Körper richtig zu zentrieren.
Dieser Effekt wirkt nicht nur unästhetisch, sondern ist auch energieraubend. Die Muskulatur kämpft gegen das eigene Körpergewicht, statt es intelligent zu platzieren. Um das zu vermeiden, sollte jede Drehung mit einem stabilen Standbein vorbereitet und mit der passenden Hand begleitet werden. Besonders bei komplexen Bewegungsfolgen lohnt es sich, einen Moment innezuhalten und den Körperschwerpunkt bewusst zu kontrollieren.
Erfahrene Kletter:innen erkennen diese Gefahr bereits im Routenlesen. Sie analysieren nicht nur Griffe, sondern auch potenzielle Rotationen und planen die Ausrichtung ihrer Bewegungen vorab. In dieser Fähigkeit zeigt sich ein grundlegender Unterschied zwischen impulsivem Klettern und durchdachter, technischer Präzision.
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Spreizen und Stützen
Einsatz in engen oder weiten Strukturen
Spreizen bedeutet, dass man sich mit Armen und Beinen bewusst in entgegengesetzte Richtungen drückt, um sich an der Wand oder zwischen zwei Wandflächen zu stabilisieren. Anstatt auf einem Tritt zu stehen oder an einem Griff zu hängen, erzeugt der Körper durch Gegenspannung Halt – etwa indem die Füße weit auseinander an gegenüberliegenden Wänden stehen oder ein Bein nach außen drückt, während der andere Körperteil Gegenzug erzeugt.
Typisch ist das Spreizen in Verschneidungen oder Kaminen, wo linke und rechte Wandseite genutzt werden, um eine seitliche Körperposition zu stabilisieren. Dabei kann ein Fuß rechts und einer links stehen, während sich der Oberkörper gegen eine der Flächen lehnt oder stützt. Auch an glatten Hallenvolumen oder strukturierten Außenwänden lässt sich durch das bewusste Auseinanderdrücken eine stabile Kletterposition einnehmen – selbst ohne klassische Tritte.
Diese Technik ist besonders hilfreich, wenn keine klaren Griffe oder Tritte vorhanden sind und der Körper durch reines „Dazwischenhalten“ eine Position sichern muss. Wer Spreizen gezielt einsetzt, kann dynamische Bewegungen abbremsen, schwierige Passagen kontrolliert entschärfen und in komplexen Strukturen Ruhepunkte schaffen, wo andere nur Unsicherheit erleben.

Spreizen bedeutet, dass man sich mit Armen und Beinen bewusst in entgegengesetzte Richtungen drückt
Kombination von Tritt- und Handtechnik
Stützen ergänzt das Spreizen ideal – vor allem dann, wenn die Beine allein nicht reichen, um das Gleichgewicht zu halten. Während das Spreizen sich über horizontale Ausrichtung definiert, bietet das Stützen eine vertikale Komponente: Der Körper wird durch Druck über die Hände stabilisiert, oft in Kombination mit einem hoch gesetzten Fuß. Diese Technik erlaubt es, schwer erreichbare Tritte gezielt anzusteuern.
In praktischer Anwendung sieht das oft unspektakulär aus – ein Fuß wird gesetzt, die gleichseitige Hand stützt sich auf, der Körper hebt sich. Doch in der Bewegung liegt Raffinesse: Die Muskulatur muss in perfekter Abstimmung arbeiten, das Timing entscheidet darüber, ob das Bein unbelastet bleibt oder nicht. Gerade an glatten Wandpartien ist diese Technik oft der einzige Weg, dynamisch weiterzukommen.
Effektive Kletter:innen verbinden Spreizen und Stützen zu fließenden Bewegungsabfolgen. Statt isolierter Technikmomente entstehen kleine Choreografien, in denen sich Druck, Zug und Entlastung stetig abwechseln. Wer hier nicht nur ausführt, sondern versteht, was die Wand verlangt, klettert kontrollierter, effizienter – und am Ende auch entspannter.
Beispiele für dynamisches Spreizen
Dynamisches Spreizen findet nicht im Kraftakt, sondern im Rhythmus der Bewegung statt. Besonders bei überhängenden Volumen oder weit gesetzten Tritten spielt diese Technik ihre Stärken aus. Der Körper wird dabei diagonal zur Wand gespannt – ein Bein zieht, das andere drückt, während die Hände die Position sichern. Die Spannung im Core wird zur Brücke zwischen den Endpunkten.
In überhängendem Gelände bringt das dynamische Spreizen gleich zwei Vorteile: Es entlastet die Arme und hält den Körperschwerpunkt nah am Fels. Statt sich aus dem Überhang zu ziehen, kann der Körper zwischen zwei weit gesetzten Punkten „einhängen“ – ein statischer Moment in einer ansonsten dynamischen Sequenz. Diese Technik erlaubt längere Bewegungszyklen mit weniger Pausenbedarf.
Viele moderne Routen verlangen diese Form des Bewegungsdenkens. Volumenwände, technische Boulders, sogar Highball-Probleme integrieren regelmäßig Stellen, an denen statisches Klettern ineffizient wäre. Dynamisches Spreizen wird dort zum Schlüssel – nicht nur als Technik, sondern als Haltung gegenüber Bewegung: aktiv, vorausschauend und in permanenter Interaktion mit der Wand.
Der Frosch: Technik für Kontrolle und Nähe
Körperöffnung und Hüftmobilität
Die Froschtechnik zählt zu den elegantesten Methoden, um maximale Wandnähe mit präziser Kontrolle zu kombinieren. Charakteristisch ist eine tiefe Körperposition, bei der beide Knie weit nach außen zeigen und die Füße unter dem Becken platziert werden. Diese Haltung erzeugt eine stabile Dreiecksstruktur, die sowohl Beweglichkeit als auch Körperspannung verlangt – besonders im Hüftbereich.
Hüftmobilität ist dabei kein Nebenaspekt, sondern Grundvoraussetzung. Wer den Frosch effizient einsetzen möchte, braucht ein hohes Maß an Flexibilität, um die Knie weit nach außen rotieren zu können. Gleichzeitig muss die Körpermitte aktiv bleiben, um nicht in sich zusammenzufallen. Es ist ein Spannungsfeld aus Öffnung und Stabilisierung – oft ungewohnt, aber extrem wirkungsvoll.
Die Haltung bietet enorme Vorteile: Durch die tiefe Position wird der Körperschwerpunkt abgesenkt, was mehr Kontrolle bei schwierigen Bewegungen ermöglicht. Besonders an kompakten oder geneigten Wänden erlaubt die Froschtechnik ein sicheres Ansetzen neuer Tritte – selbst bei instabilen Griffverhältnissen. Wer diese Technik sauber beherrscht, gewinnt Raum, Ruhe und Reichweite.

Der Frosch am Fels
Einsatzgebiete an der Wand
Der Frosch entfaltet sein Potenzial in spezifischen Wandpassagen, die Präzision und Stabilität erfordern. Typisch sind geneigte oder kompakte Wandstrukturen mit wenigen, aber gut gesetzten Tritten. Hier kann durch das breite Aufstellen der Füße und das aktive Absenken des Beckens ein sicherer, kraftsparender Stand erzeugt werden. Besonders bei schwierigen Schlüsselstellen kommt die Technik zum Einsatz.
Auch in Situationen, in denen sich der Körper durch hohe Tritte in eine ungünstige Position bringen würde, bietet der Frosch eine smarte Alternative. Indem die Füße unter das Becken geführt und gleichzeitig die Knie nach außen gedreht werden, lassen sich enge Wandbereiche effizient nutzen. Das reduziert die Abhängigkeit von reiner Armkraft und schafft Ruhepunkte, wo sonst Daueranspannung herrscht.
Nicht zuletzt findet der Frosch in Platten und technischen Routen Anwendung, in denen klassische Tritttechnik an ihre Grenzen stößt. Seine Stärke liegt in der Fähigkeit, den Körper tief und zentriert zu positionieren – ein Faktor, der nicht nur in anspruchsvollen Sportkletterrouten, sondern auch im Alpinbereich zur Stabilisierung beiträgt.
Integration in Bewegungsabfolgen
Die Froschposition ist keine statische Endlage, sondern integraler Bestandteil flüssiger Bewegungsfolgen. Sie dient als Übergang, als Ruhepunkt oder als vorbereitende Haltung für dynamische Züge. Entscheidend ist die Fähigkeit, diese Technik nicht isoliert zu betrachten, sondern als einen Teil rhythmischer Fortbewegung. Wer sie bewusst einsetzt, strukturiert seine Bewegungsabfolge intelligenter.
In der Praxis bedeutet das: Ein Schritt hoch, ein Knie nach außen, das Becken absenken – dann in aller Ruhe den nächsten Griff anvisieren. Diese Sequenz wiederholt sich nicht mechanisch, sondern wird an die jeweilige Wandstruktur angepasst. Die Position erlaubt kurze Atempausen, präzise Entscheidungen und ein kontrolliertes Fortsetzen der Route.
Gerade in Kombination mit Spreizen oder Stützen kann die Froschtechnik ihre volle Wirkung entfalten. Sie schafft Raum für neue Bewegungsoptionen und verleiht der gesamten Sequenz eine organische Struktur. Mit wachsender Erfahrung wird der Frosch nicht mehr als bewusste Technik eingesetzt, sondern als selbstverständliche Zwischenform in einem harmonischen Bewegungsfluss.
Piazen und Gegendrucktechniken
Anwendungsfälle in Verschneidungen
Piazen ist eine Technik, die vor allem in Verschneidungen, Rissen und an Schuppen ihren Auftritt hat. Dort, wo weder klassische Griffe noch Tritte in Reichweite sind, entsteht Halt über den gezielten Aufbau von Gegenspannung. Die Hände drücken gegen eine Wandseite, die Füße gegen die andere – dazwischen hält die Körperspannung das System zusammen.
Diese Technik funktioniert nicht in der Vertikalen allein, sondern im Zusammenspiel mit der Umgebung. Besonders in Verschneidungen lässt sich durch ein diagonales Positionieren des Körpers Stabilität erzeugen, auch wenn die verfügbaren Strukturen minimal sind. Die Reibung der Schuhe und das aktive Drücken der Hände übernehmen die Rolle von Griffen und Tritten – eine Umkehrung der üblichen Logik.
Die Anwendung setzt ein gutes Gefühl für Wandkontakt voraus. Wer zu verkrampft drückt, rutscht ab, wer zu vorsichtig arbeitet, findet keinen Halt. Piazen verlangt eine sensible Dosierung der Kräfte und eine ständige Feinjustierung. Mit Übung wird daraus eine Methode, um technisch anspruchsvolle Passagen kontrolliert und körperschonend zu meistern.
Körperspannung und Gegenzug
Piazen lebt von Körperspannung – und zwar nicht punktuell, sondern ganzheitlich. Das Prinzip basiert auf der Idee, einen aktiven Gegenzug zwischen zwei Flächen aufzubauen. Dabei arbeiten Arme und Beine diagonal gegeneinander, oft unter hohem Kraftaufwand. Eine stabile Rumpfmuskulatur wird dabei zur Voraussetzung für die Kontrolle über den eigenen Schwerpunkt.
Im Detail bedeutet das: Während die Beine gegen eine Wandseite drücken, stützen sich die Arme oft auf der gegenüberliegenden Seite ab. Die Spannung überträgt sich über den Oberkörper, sodass ein Gleichgewicht entsteht. Dieser Gleichgewichtszustand ist fragil, aber hoch effizient – solange der Druck ausbalanciert ist, bleibt der Körper wie eingehängt zwischen den Flächen.
Was zunächst unbequem und ungewohnt wirkt, entfaltet mit zunehmender Erfahrung eine klare Funktion. Die Körperspannung im Piaz funktioniert wie ein internes Sicherungssystem – sobald sie sauber aufgebaut ist, reduziert sich die Notwendigkeit für Haltearbeit mit den Fingern. Wer das Prinzip verinnerlicht, gewinnt ein kraftsparendes Werkzeug für schwieriges Gelände.
Kombinieren mit anderen Techniken
Die Stärke des Piazens liegt nicht nur in der Technik selbst, sondern in ihrer Vielseitigkeit. Sie lässt sich hervorragend mit anderen Bewegungsmustern kombinieren – etwa mit Stützen, Spreizen oder sogar Eindrehen. Diese Synergien entstehen überall dort, wo der Körper auf mehreren Ebenen gleichzeitig mit der Wand interagieren muss.
In Verschneidungen etwa kann eine Hand stützend eingesetzt werden, während das gegenüberliegende Bein spreizt und die Hüfte sich leicht eindreht. Der Körper formt eine raumgreifende Struktur, die Stabilität aus mehreren Richtungen erzeugt. Das ist besonders dann von Vorteil, wenn klassische Stand- oder Griffpositionen fehlen oder nur temporär zur Verfügung stehen.
Solche Kombinationen erfordern nicht nur körperliche Kraft, sondern auch räumliches Denken. Erfahrene Kletternde entwickeln ein Gefühl für die Wandarchitektur und entscheiden intuitiv, wann Piazen allein reicht – und wann es Teil eines komplexeren Bewegungsplans sein muss. Wer diese Technik beherrscht, verfügt über ein leistungsstarkes Instrument für fast jede Felsform.
Stemmen und Kamintechnik
Druckaufbau in vertikalen Spalten
Stemmen ist eine Technik, die dort zum Einsatz kommt, wo klassische Bewegungsstrategien versagen: in Kaminen, Rinnen und engen Spalten. Hier schafft kein Tritt Stabilität, kein Griff wirklichen Halt – nur gezielter Gegendruck zwischen zwei Flächen. Der Kletterkörper wird zur Brücke, zum Klemmkeil, zum aktiven Widerlager zwischen den Wänden.
Das Prinzip ist einfach: Die Füße drücken gegen eine Seite des Kamins, während der Rücken, die Hände oder das Gesäß gegen die andere Seite arbeiten. Dieser Druck erzeugt Reibung, die ein Abrutschen verhindert. Wichtig ist eine gleichmäßige Kraftverteilung – zu einseitiges Stemmen führt zu einem instabilen Gleichgewicht, zu kraftvolles Drücken kostet unnötige Energie.
Erfahrene Kletter:innen nutzen dabei nicht nur die großen Flächen des Körpers, sondern auch punktuelle Elemente wie Knie, Ellenbogen oder Schulterblatt, um zusätzliche Reibungspunkte zu schaffen. Der Körper passt sich dem Raum an, nicht umgekehrt. Wer das akzeptiert, kann selbst in scheinbar aussichtslosen Kaminen stabil bleiben – vorausgesetzt, die Technik sitzt.

Kaminklettern
Bewegungsdynamik im Kamin
Kaminbewegung ist keine lineare Fortbewegung, sondern ein ständiges Wechselspiel aus Klemmen, Drücken, Entlasten und Nachschieben. Statt wie an der Wand Zug um Zug zu machen, wird der Körper in Etappen neu positioniert. Dabei bewegen sich Beine und Arme nicht synchron, sondern oft diagonal oder sogar abwechselnd gegensätzlich.
Die Grundidee ist, mit möglichst wenig Muskelkraft möglichst viel Fläche zu nutzen. Dabei hilft es, sich mit dem Rücken gegen eine Seite zu lehnen, während ein Bein auf der gegenüberliegenden Seite Halt sucht. Danach folgt eine diagonale Druckphase über die Arme, die den Körper ein Stück höher schiebt. Diese rhythmische Bewegung braucht Gefühl – und ein klares Verständnis für die eigene Position im Raum.
In steileren Kaminen erfordert diese Technik ein feines Maß an Körperspannung. Der Bewegungsfluss darf nicht reißen, sonst entsteht ein gefährliches Ungleichgewicht. Wer hingegen lernfähig bleibt und seine Bewegungen anpasst, entwickelt ein instinktives Gespür dafür, wie sich selbst in unbequemen Situationen Eleganz und Effizienz vereinen lassen.
Materialschonendes Stemmen
Kamin- und Stemmtechnik gilt nicht umsonst als materialintensiv. Der ständige Kontakt mit rauem Fels, der Druck gegen Jacken, Hosen und Schuhe – all das hinterlässt Spuren. Besonders moderne Bekleidung mit dünnen, atmungsaktiven Materialien hat hier oft das Nachsehen. Wer regelmäßig stemmt, sollte daher gezielt auf robuste Ausrüstung setzen.
Zugleich ist es möglich, den Materialverschleiß zu minimieren, ohne auf Technik zu verzichten. Eine Möglichkeit liegt in der bewussten Auswahl von Kontaktflächen: Wer nicht den Oberkörper presst, sondern über den Fuß oder das Knie stabilisiert, reduziert Reibung an sensiblen Stellen. Auch das Nutzen von Zwischenlagen wie Chalkbags oder Gurtteilen kann punktuell schützen.
Ein materialschonendes Stemmen erfordert nicht weniger Technik, sondern mehr Präzision. Der Körper muss lernen, effizient zu arbeiten, ohne überall gleichzeitig zu drücken. Diese Form der Bewegung ist nicht nur schonender für Textilien – sie ist auch Ausdruck technischer Reife. Wer weiß, wie man mit wenig Fläche viel Wirkung erzielt, klettert ökonomisch – und bleibt länger gut ausgestattet.
Rissklettern
Technik bei verschiedenen Rissbreiten
Rissklettern ist eine Disziplin für sich. Anders als beim klassischen Klettern an Griffen und Tritten arbeitet man hier mit dem eigenen Körper als Klemmmechanismus. Die Technik variiert dabei stark mit der Breite des Risses – von Schulterrissen bis hin zu feinsten Fingerrissen braucht jede Variante eine eigene Herangehensweise und ein exaktes Gefühl für Druck und Widerstand.
Die wichtigste Grundlage ist das gezielte Verklemmen des passenden Körperteils im Riss. Bei breiten Rissen wird meist ein Teil des Oberkörpers verwendet, während in schmaleren Varianten Hände oder Finger als Hebel dienen. Dabei geht es nicht um Kraft im herkömmlichen Sinn, sondern um kontrollierte Spannung und das richtige Maß an Flächendruck – eine Balance aus Schmerzgrenze und Stabilität.
Wer mit Rissen arbeitet, sollte sie als vertikale Puzzles betrachten. Der Körper muss sich der Form anpassen, nicht umgekehrt. Besonders bei wechselnden Rissbreiten innerhalb einer Route erfordert das eine ständige Justierung. Gute Risskletter:innen erkennen diese Übergänge frühzeitig und planen ihre Körperposition strategisch – wie Schachspieler:innen am Fels.

Rissklettern
Hand-, Faust- und Fingerklemmen
Die Hand ist im Riss das vielseitigste Werkzeug. In mittleren Breiten lässt sich die Hand durch eine leichte Verdrehung festklemmen – entweder mit dem Daumen nach oben oder nach unten. Bei der Daumen-unten-Variante entsteht die Klemmwirkung durch das Aufspreizen des Handrückens gegen die Risswände, während bei der Daumen-oben-Version ein Hebeleffekt zwischen Daumen und Fingern erzeugt wird.
Faustklemmen kommen zum Einsatz, wenn der Riss breiter wird. Dabei wird die Hand zunächst locker eingeführt und dann zur Faust geballt – so entsteht eine stabile Verbindung, die sich besonders gut für Ruhepositionen eignet. Diese Technik ist überraschend kraftsparend, solange der Fuß sauber unterstützt. Dennoch erfordert sie viel Erfahrung, da das Gefühl für die richtige Faustgröße nicht intuitiv entsteht.
Fingerklemmen sind technisch anspruchsvoll und oft schmerzintensiv. Die Finger werden so weit wie möglich in den Riss gesteckt und durch Spreizung verklemmt. Dabei sind Präzision und Schmerzresistenz gleichermaßen gefordert. Viele Fingerverletzungen im Rissklettern entstehen genau hier – weshalb es sinnvoll ist, mit Tape zu arbeiten und die Technik nur progressiv zu trainieren.
Fußarbeit und Schmerzmanagement
Im Riss entscheidet nicht nur die Handtechnik über den Erfolg – auch die Füße spielen eine zentrale Rolle. Statt auf klassische Tritte zu setzen, werden die Füße aktiv im Riss verdreht. Die Fußspitze wird in den Spalt eingeführt, anschließend dreht sich der Fuß so, dass die Sohle gegen eine Risswand drückt. Durch diese Bewegung entsteht Reibung – ein Punkt, der Halt gibt, wenn keine äußeren Strukturen mehr vorhanden sind.
Diese Technik ist effektiv, aber nicht schmerzfrei. Besonders bei schmalen Rissen wird die seitliche Belastung des Fußes schnell unangenehm. Hier hilft gezieltes Tape – nicht nur zum Schutz der Haut, sondern auch zur Stabilisierung der Gelenke. Zudem empfiehlt es sich, härtere Kletterschuhe zu verwenden, die den Druck gleichmäßiger verteilen und das Einklemmen erleichtern.
Langfristig hängt der Erfolg im Riss von einem guten Verhältnis zwischen Technik und Schmerzresistenz ab. Wer sich überwindet, regelmäßig in Rissen zu klettern, entwickelt ein feines Gespür für Druckverhältnisse, Klemmwinkel und Bewegungsökonomie. Das Resultat ist eine Technik, die roh aussieht, aber hochgradig raffiniert ist – und zu den lohnendsten Erfahrungen im vertikalen Raum zählt.
Klettern im Überhang
Kraftmanagement und Körperspannung
Überhänge sind die Essenz des physischen Kletterns – sie stellen Kraft, Technik und Körpergefühl gleichermaßen auf die Probe. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Management der eigenen Körperspannung: Je näher der Körperschwerpunkt an der Wand bleibt, desto geringer die Belastung für die Arme. Diese Nähe erreicht man nicht durch Kraft, sondern durch gezielte Positionierung von Becken und Rumpf.
Ein leichter Hohlkreuzansatz – also das aktive Herausdrücken des Beckens Richtung Wand – sorgt dafür, dass die Beine mehr Druck auf die Tritte bringen. Dadurch verlagert sich die Haltearbeit aus den Armen in die Körpermitte. Gleichzeitig reduziert sich die Pendelwirkung des Oberkörpers, was besonders bei komplexen Zügen entscheidend ist. Wer hier zu locker hängt, riskiert Kontrollverlust.
Überhangklettern bedeutet nicht, sich hochzuziehen, sondern sich auszubalancieren. Die effizienteste Bewegung entsteht durch eine Kombination aus Körperspannung, gezieltem Treten und ruhigem Greifen. Mit jedem durchdachten Zug spart man Reserven – und Reserven entscheiden in steilen Routen oft über Erfolg oder Sturz.

Überhang Klettern
Taktik: lang am Arm, kurz im Griff
Lange Arme wirken nicht nur ästhetisch – sie sind eine zentrale Taktik in überhängenden Passagen. Statt den Körper krampfhaft hochzuziehen, bleibt der Arm gestreckt und fungiert als Pendel. Diese Haltung reduziert die Belastung auf Bizeps und Schultern, entlastet die Griffmuskulatur und erlaubt eine ruhigere Ausführung der Bewegung.
Die Technik erfordert Disziplin. Viele Kletter:innen neigen dazu, bei jeder Unsicherheit sofort in den angewinkelten Arm zu wechseln – aus Angst, den Halt zu verlieren. Doch gerade in diesen Momenten ist Vertrauen in die eigene Position gefragt. Wer ruhig bleibt und am gestreckten Arm agiert, spart nicht nur Kraft, sondern verschafft sich auch die nötige Zeit, um Züge bewusst vorzubereiten.
Zusätzlich erlaubt diese Haltung ein effizienteres Klinken und Positionieren. Die zweite Hand bleibt freier, der Blick ruhiger, die Bewegungen kontrollierter. Es ist ein kleiner Taktikwechsel mit großer Wirkung – und eines der zuverlässigsten Werkzeuge, um an steilen Wänden souverän unterwegs zu sein.

Klettern im Überhang
Ruhepositionen und dynamische Züge
Ruhepositionen im Überhang sind rar, aber Gold wert. Oft sind es unscheinbare Volumen, kleine Tritte oder günstige Griffwinkel, die dem Körper eine Verschnaufpause ermöglichen. In diesen Momenten kommt es darauf an, die Arme zu entlasten und die Atmung zu kontrollieren – nicht nur zur Regeneration, sondern auch zur mentalen Fokussierung.
Diese kurzen Pausen sind der strategische Ankerpunkt für den nächsten dynamischen Zug. Denn Überhangklettern bedeutet nicht nur Spannung halten, sondern auch Timing finden. Ein dynamischer Zug erfordert nicht blinde Explosivität, sondern einen präzisen Bewegungsplan: Körperschwerpunkt aufbauen, Druckpunkt setzen, Schwung kontrollieren. Der Körper wird zum Projektil, das gezielt abgefeuert wird.
Je besser die Balance zwischen Ruhe und Bewegung gelingt, desto mehr Kontrolle entsteht. Gute Kletter:innen erkennen diese Übergänge frühzeitig und nutzen sie instinktiv. Sie klettern den Überhang nicht mit roher Kraft, sondern mit einem Rhythmus, der sich zwischen Kontrolle und Risiko souverän bewegt.
Fazit und Ausblick
Zusammenfassung der wichtigsten Techniken
Fortgeschrittenes Klettern ist mehr als ein Upgrade des Basiskönnens – es ist eine neue Dimension des Bewegungsdenkens. Wer Griffarten variiert, Tritte präzise setzt und den eigenen Schwerpunkt liest wie eine Linie auf der Karte, klettert nicht nur sicherer, sondern intelligenter. Jede hier beschriebene Technik – vom Eindrehen bis zum Piazen – erweitert den persönlichen Werkzeugkasten und macht aus muskelbasiertem Ziehen eine ganzheitliche Bewegungskompetenz.
Besonders deutlich wird das im Umgang mit Struktur: Ob Reibungstritt, Riss oder Volumen – es ist die Anpassung, nicht die Kraft, die entscheidet. Die besten Kletter:innen sind keine Maschinen, sondern Bewegungsarchitekten. Sie greifen nicht einfach zu, sondern begreifen die Wand – und agieren mit einer Leichtigkeit, die stets das Resultat durchdachter Technik ist.
Wer diesen Artikel durchklettert hat, trägt das Rüstzeug für anspruchsvolle Projekte, komplexe Wände und langfristige Progression. Das Ziel ist kein perfekter Stil, sondern ein wacher, variabler und verletzungsfreier Umgang mit dem eigenen Können. Technik bleibt dabei nicht statisch – sie entwickelt sich weiter, mit jeder Route, jedem Griff, jedem Tritt.
Empfehlung zur kontinuierlichen Verbesserung
Klettertechnik ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Sie entsteht durch Wiederholung, Reflexion und gezieltes Feedback. Wer sich verbessern will, sollte regelmäßig Videoanalysen nutzen, Bewegungsabläufe bewusst reflektieren und sich von anderen Kletter:innen inspirieren lassen. Dabei ist ein strukturierter Trainingsansatz hilfreich, aber kein Dogma – wichtiger ist das ständige Lernen am Fels.
Mentoring, gemeinsame Sessions oder technische Workshops bieten zusätzliche Impulse. Besonders in Hallen lässt sich Technik gezielt isolieren und trainieren, bevor sie draußen am Fels in komplexeren Situationen abgerufen wird. Auch mentale Techniken wie Visualisierung oder Atemarbeit können die Umsetzung verbessern – Technik beginnt oft im Kopf.
Fortschritt zeigt sich nicht nur in schwereren Graden – sondern in der Eleganz, mit der du bekannte Probleme neu löst. Wer bereit ist, alte Muster zu hinterfragen und Neues auszuprobieren, erweitert sein Bewegungsrepertoire stetig. Die nächste persönliche Schlüsselstelle ist nur einen Perspektivwechsel entfernt.
Hinweis auf weiterführende Ressourcen und Literatur
Wissen vertieft sich durch Wiederholung – und durch neue Perspektiven. Wer sich nach dieser Einführung weiter mit dem Thema beschäftigen will, findet eine fundierte Sammlung von Tipps in diesem Technikguide für Einsteiger:innen. Auch die Einordnung von Klettergraden hilft, Fortschritte realistisch einzuordnen und neue Projekte gezielt auszuwählen.
Für alle, die ihre ersten Schritte in der Kletterwelt reflektieren oder weitergeben möchten, ist außerdem dieser Einstiegsguide empfehlenswert – nicht nur für Anfänger:innen, sondern auch als Reminder für eigene Anfänge. Wer sich darüber hinaus für vertiefte Literatur interessiert, findet im deutschsprachigen Raum viele technische Lehrwerke – insbesondere aus dem Alpenraum oder vom DAV.
Technik ist kein Ziel, sondern eine Reise. Und diese Reise beginnt mit der Entscheidung, genauer hinzuschauen, bewusster zu treten – und über die nächste Schlüsselstelle hinauszudenken.
Häufige Fragen (FAQs)
Die Kombination aus Eindrehen und dem Klettern am langen Arm zählt zu den effizientesten Strategien gegen vorzeitige Muskelermüdung. Beim Eindrehen verlagert sich der Körperschwerpunkt näher zur Wand, wodurch weniger Haltekraft aus den Armen erforderlich ist. Gleichzeitig reduziert das Klettern am ausgestreckten Arm die isometrische Belastung auf den Bizeps – ein entscheidender Faktor für längere Ausdauer. Wer beide Techniken gezielt einsetzt, entlastet die Fingerbeuger und kann auch in pumpigen Routen länger aktiv bleiben.
Tritttechnik lässt sich hervorragend isolieren – sowohl am Fels als auch in der Halle. Effektiv sind Übungen auf Platten oder geneigten Wandbereichen mit kleinen Tritten, bei denen bewusst mit dem Vorderfuß präzise aufgesetzt wird. Das Training mit Fokus auf Reibungstritte, bei dem die Ferse kontrolliert abgesenkt wird, verbessert die Druckverteilung. Auch „Silent Climbing“ – also lautloses Treten – schärft das Gefühl für Trittkontakt und Sohlenspannung. Je feiner die Wahrnehmung für das, was unter dem Fuß passiert, desto effizienter wird die Bewegung.
Der sogenannte Full Crimp, bei dem die Fingerkuppen aufgestellt und das Mittelgelenk extrem gebeugt wird, gilt als besonders belastend – vor allem für Sehnen, Ringbänder und Kapseln. Die entstehende Hebelwirkung erzeugt enorme Kräfte auf sehr kleinem Raum. Diese Griffart sollte daher nur bewusst, sparsam und niemals unter Ermüdung eingesetzt werden. Schonender ist das Greifen mit „hängenden Fingern“, bei dem das Gelenk gestreckt bleibt. Wer Crimps regelmäßig nutzt, sollte ergänzend präventives Training und ggf. Tape-Techniken in Betracht ziehen.
Piazen bietet sich an, wenn keine klassischen Griffe vorhanden sind, aber Wandstrukturen wie Verschneidungen, Rinnen oder Schuppen genügend Fläche bieten, um Gegendruck aufzubauen. Während Klemmen auf passives Verklemmen eines Körperteils basiert, ist Piazen eine aktive, dynamische Technik. Besonders in alpinen oder cleanen Routen ist das gezielte Einsetzen von Händen und Füßen zum Drücken gegeneinander eine sichere Methode, um Halt zu finden – auch ohne klar definierte Haltepunkte. Voraussetzung ist eine gute Körperspannung und ein Gespür für Druckdosierung.
Beweglichkeit, insbesondere in der Hüfte und im Rumpf, entscheidet über die Qualität des Eindrehs. Wer die Hüfte aktiv zur Wand rotieren kann, verbessert den Körperschwerpunkt und vergrößert gleichzeitig die Reichweite des Greifarms. Eine eingeschränkte Mobilität hingegen zwingt den Körper zu Kompensationsbewegungen, die oft ineffizient und kraftintensiv sind. Gutes Eindrehen beginnt mit der Fähigkeit, die Füße außen aufzusetzen und die Hüfte offen zu führen – Aspekte, die sich gezielt durch Mobilisation und Stretching verbessern lassen.
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